Körber Demografie-Symposium 2019
(Gem)einsame Stadt?
Soziale Isolation in der alternden Gesellschaft
In einer alternden Gesellschaft wird Einsamkeit zu einer immer größeren gesellschaftlichen Herausforderung. Hohe Mobilität und berufliche Flexibilität bringen es mit sich, dass immer mehr Menschen in Orten wohnen, in denen sie nicht sozial eingebunden sind. Auch Menschen in der Nacherwerbsphase werden heute immer mobiler. Für sie steigt das Risiko der sozialen Isolation auch, wenn Kinder wegziehen oder Partner und Umfeld altern. Was können unsere Kommunen dem entgegenstellen? Wie tragen sie dazu bei, Orte des lebendigen Miteinanders zu bleiben? Wie fördern sie Begegnung und soziale Einbindung?
Es ist im Interesse der lokal Verantwortlichen, die Isolation ganzer demografischer Gruppen zu verhindern. Denn Einsamkeit hat gesellschaftliche sowie ganz konkrete körperliche Auswirkungen – Betroffene werden leichter krank, sind auf mehr staatliche Unterstützung angewiesen und müssen eher gepflegt werden. Außerdem kann Einsamkeit tatsächlich ansteckend sein.
Auch das 10. Körber Demografie-Symposium richtete sich wieder an diejenigen, die vor Ort für die Gestaltung von demografischem Wandel und alternder Gesellschaft verantwortlich sind. Die teilnehmenden lokalen Entscheiderinnen und Entscheider erhielten Einblick in neue Befunde zu Einsamkeit sowie internationale Modelle zur Überwindung von sozialer Isolation in einer alternden Gesellschaft und sie diskutierten mit namhaften Expertinnen und Experten.
Das 10. Körber Demografie-Symposium »(Gem)einsame Stadt? Soziale Isolation in der alternden Gesellschaft« fand am 6. und 7. November 2019 im KörberForum der Körber-Stiftung statt.
Reden und Vorträge
Was uns einsam macht…
In einer durch Alterung, Digitalisierung und hohen Mobilität geprägten Gesellschaft wird Einsamkeit ein immer relevanteres Thema. Sonia Lippke, Psychologin an der Jacobs University Bremen, erklärt die psychologischen Grundlagen dieses Phänomens und spricht darüber, was Einsamkeit ist, dass sie die Funktion eines Warnsignals hat und sogar ansteckend ist.
Gemeinsame Stadt
Der Vorsitzende des Vorstandes der Körber-Stiftung, Dr. Lothar Dittmer, betont in seiner Begrüßung der Teilnehmenden des Körber Demografie-Symposiums, dass Einsamkeit im Alter alles andere als nur eine Privatsache sei. Da sie einerseits starke gesundheitliche Auswirkungen habe und gleichzeitig mit den Babyboomern die Zahl der Älteren rapide zunehmen werde, sei Einsamkeit ein Thema von gesamtgesellschaftlicher Relevanz.
Alterung und soziale Isolation
Dr. Tanja Kiziak und Ann-Kathrin Schewe vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung sprechen über den Zusammenhang des demografischen Wandels mit sozialer Isolation in Deutschland und darüber, was Kommunen hier tun können. In dem zusammen mit der Körber-Stiftung erstellten Diskussionspapier »(Gem)einsame Stadt?« (PDF), das Kiziak und Schewe vorstellen, werden sechs Faktoren identifiziert, die soziale Isolation vor Ort bedingen. Von Krankheit über mangelnde Bildung bis hin zur fehlenden sozialen Einbindung Älterer werden nicht nur Fakten zum Status Quo beschrieben, sondern daneben auch zu erwartende gesellschaftliche Trends sowie konkrete Handlungsempfehlungen für Kommunen.
Aarhus – Stadt gegen Einsamkeit
Aarhus, die zweitgrößte Stadt Dänemarks, überzeugt durch einen umfassenden Ansatz für gutes Leben im Alter. Sie bekämpft gezielt Einsamkeit und fördert ein lebendiges Miteinander. Aarhus bietet digitale und analoge Begegnungsorte, die offen für Menschen aller Herkunft und Altersklassen sind. Ein Film begleitet die Teilnehmenden des Körber-Projekts »Expedition Age & City« bei ihrer Expedition in die dänische Stadt und stellt dabei neben der kommunalen Strategie auch spannende Projekte wie die Online-Plattform Genlyd oder die multifunktionale Bibliothek Dokk1 vor.
Aarhus. Strategies and Visions (englisch)
Der Direktor des Health and Care Department in Aarhus, Hosea-Che Dutschke, stellt die Strategie seiner Behörde für gutes Altern vor. Das tut er auf ungewöhnliche Art und Weise: Er spricht über die Französische Revolution, eine »liebende Verwaltung« und warum seine Behörde versucht, die Bürgerinnen und Bürger fern zu halten.
Aarhus. Strategies towards Loneliness (englisch)
Maj Morgenstjerne, Health and Care Department, Aarhus Kommune, spricht über strategische Ansätze zu Bekämpfung von Einsamkeit in der dänischen Stadt. Sie zeigt,wie genau die Verwaltung über Einsamkeit in Aarhus Bescheid weiß und dass es bei manchen Älteren nur einen »Tap on the shoulder« braucht, um sie aus der Isolation zu holen.
…was uns zusammenhält
»Die größte Armut im Alter wird die Kontaktarmut sein« – doch muss das wirklich so sein? Prof. Dr. Horst Opaschowski teilt zum Abschluss des 10. Körber Demografie-Symposiums seine positive Zukunftsvision für gesellschaftliches Zusammenleben in zehn Thesen.
Handlungsempfehlungen für Kommunen
Was Verwaltung, Politik und ihre Verbündeten aus Wirtschaft, Sozial-, Kultur- und Bildungsinstitutionen vor Ort gegen Einsamkeit tun können
Fotogalerie
SprecherInnen

Christoph Böhmke
Leiter des Internationalen Opernstudios, Hamburgische Staatsoper

Hosea-Che Dutschke
Direktor, Health and Care Department, Aarhus

Heinz Frey
Geschäftsführer, DORV-Quartier gGmbH, Jülich

Birgit Gebhardt
Trendexpertin, Hamburg

Tanja Kiziak
stv. Geschäftsführerin, Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung

Sonia Lippke
Psychologin, Jacobs Center for Livelong Learning, Jacobs University Bremen

Maj Morgenstjerne
Direktorin Strategic Development, Health and Care Department, Aarhus

Horst Opaschowski
Zukunftsforscher, Opaschowski Institut für Zukunftsforschung, Hamburg

Felix Schauppner
Koordinator Wohnen mit Service/ Quartiersentwicklung, Bremer Heimstiftung

Ann-Kathrin Schewe
wissenschaftliche Mitarbeiterin, Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung
zum Thema
Flyer
Programm
6. November 2019, KörberForum
19.00 bis 20.30 Uhr
Eröffnungsvortrag und Diskussion
Was uns einsam macht…
Was ist Einsamkeit, wie drückt sie sich aus und welche Funktion hat sie? Über die psychologischen Grundlagen des Phänomens, das in einer durch Digitalisierung und Alterung geprägten Gesellschaft an Relevanz gewinnen wird.
Sonia Lippke, Psychologin, Jacobs Universität Bremen
7. November 2019, KörberForum
10.00 bis 11.30 Uhr
Begrüßung
Gemeinsame Stadt
Lothar Dittmer, Vorstandsvorsitzender der Körber-Stiftung
Präsentation und Diskussion
Alterung und soziale Isolation
Wer ist einsam in Deutschland und was können Kommunen tun? Daten, Thesen und Empfehlungen
Tanja Kiziak und Ann-Kathrin Schewe, Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung
11.30 bis 13.00 Uhr
Kurzimpulse – Lösungen auf den Punkt!
Neue Mitte für das Dorf
Versorgung und Lebensqualität im ländlichen Raum
Heinz Frey, DORV-Quartier gGmbH, Jülich
Wohnen mit Aussicht
Gemeinsam leben im Quartier
Felix Schauppner, Bremer Heimstiftung
Alexa, I am lonely today
Chancen der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz
Birgit Gebhardt, Trendexpertin, Hamburg
Hejo, stimmt gemeinsam an
Vergemeinschaftung durch Musik
Christoph Böhmke, Hamburgische Staatsoper
Mittagessen
14.00 bis 16.00
Internationale gute Praxis: Aarhus, Dänemark
Die zweitgrößte dänische Stadt überzeugt durch einen umfassenden Ansatz für gutes Leben im Alter. Sie bekämpft gezielt Einsamkeit und fördert ein lebendiges Miteinander. Aarhus bietet digitale und analoge Begegnungsorte, die offen für Menschen aller Herkunft und Altersklassen sind. Als European Volunteer Capital 2018 mit über 1000 Vereinen und Initiativen versteht die Stadtverwaltung ihren Auftrag so: »Help people to find a new sense of community«.
Präsentation
Stadt gegen Einsamkeit: Vision und Strategie
Für die Themen Alter und Einsamkeit ist in der Kommune Aarhus das große Health and Care Department zuständig. Allen strategischen Konzepten liegt das Verständnis einer transparenten und bürgerorientierten Verwaltung zugrunde.
Hosea Che Dutschke, Head of Health and Care Department
Maj Morgensternje, Head of Strategic Development, Health and Care Department
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Stadt gegen Einsamkeit: Aktivitäten
Die Teilnehmenden der Expedition Age & City der Körber-Stiftung nach Aarhus stellen Projekte und Ideen vor, die sie überzeugt haben: die Plattform Genlyd, Stadtteiltreffs für Seniorinnen und Senioren, die multifunktionale Bibliothek DOKK1, Welfare Technology, Mehrgenerationenwohnen u.a.
16.00 bis 17.00 Uhr
Schlussvortrag
…was uns zusammenhält
»Die größte Armut im Alter wird die Kontaktarmut sein« – doch muss das wirklich so sein? Eine positive Zukunftsvision von einem Vordenker für unser gesellschaftliches Zusammenleben.
Horst Opaschowski, Opaschowski Institut für Zukunftsforschung, Hamburg
Tagesmoderation: Karin Haist und Jonathan Petzold, Bereich Alter und Demografie der Körber-Stiftung
Tagungssprache: Deutsch (mit Simultanübersetzung)